Cetirizin: Pharmakologie und Nebenwirkungen im Überblick
Cetirizin gehört zur Klasse der H1-Antihistaminika der zweiten Generation. Es wirkt, indem es die Bindung von Histamin an H1-Rezeptoren hemmt und damit die durch Histamin vermittelten Entzündungsreaktionen blockiert. Dadurch werden Symptome wie Rhinorrhö, Konjunktivitis, Niesen und Pruritus abgeschwächt.
Nebenwirkungen und pharmakologische Limitationen
Trotz der vergleichsweise geringen sedierenden Wirkung im Vergleich zu Antihistaminika der ersten Generation, treten unter Cetirizin-Einnahme dennoch häufig zentrale Nebenwirkungen auf:
Sedierung und Müdigkeit (10–20 % der Patienten, laut klinischer Studien)
ZNS-Effekte wie Schwindel oder Konzentrationsstörungen
Kardiale Effekte wie Palpitationen oder QT-Verlängerung (selten, aber relevant bei Überdosierung oder bei gleichzeitiger Einnahme anderer QT-verlängernder Substanzen)
Gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhoe)
Anticholinerge Effekte (z. B. Mundtrockenheit, Sehstörungen)
Langfristig ist die tägliche Einnahme von Medikamenten wie Cetirizin problematisch – insbesondere bei Kindern, Schwangeren oder Menschen mit Begleiterkrankungen. Deshalb rücken Alternativen für Cetirizin in den Fokus, die an der Schnittstelle zwischen Immunologie und Mikrobiologie ansetzen: Probiotika.
Immunmodulation durch Probiotika – Grundlagen
Der menschliche Darm enthält etwa 70 % der Immunzellen des gesamten Körpers. Die Interaktion zwischen intestinaler Mikrobiota und dem mukosalen Immunsystem spielt eine zentrale Rolle bei der Toleranzentwicklung gegenüber Umweltantigenen. Eine Dysbiose – also eine gestörte Zusammensetzung der Darmflora – wird mit einer erhöhten Anfälligkeit für atopische Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Probiotika – definiert als „lebende Mikroorganismen, die dem Wirt einen gesundheitlichen Nutzen bringen“ (FAO/WHO 2001) – können über verschiedene Mechanismen Einfluss auf das Immunsystem nehmen:
Förderung von regulatorischen T‑Zellen (Tregs)
Modulation der Th1/Th2-Balance zugunsten einer immunsuppressiven Antwort
Stärkung der epithelialen Barrierefunktion
Reduktion von proinflammatorischen Zytokinen (z. B. IL‑4, IL‑5, IL-13)
Hemmung von IgE-vermittelten Reaktionen
Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Stämme antiallergisches Potenzial besitzen. Im Zentrum der aktuellen Forschung stehen dabei insbesondere stammspezifische Effekte – nicht jede Lactobacillus-Art wirkt gleich.
Lactobacillus paracasei LP-33 – Studienlage und Wirkprinzip
Der Stamm Lactobacillus paracasei LP-33 zählt zu den am besten dokumentierten Probiotika bei allergischer Rhinitis. Die Wirkung wurde in mehreren placebokontrollierten Doppelblindstudien untersucht.
Klinische Evidenz
In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie von Wang et al. erhielten Patienten mit saisonaler allergischer Rhinitis über fünf Wochen LP-33 (10⁹ KBE/Tag). Ergebnis: Signifikante Verbesserung der Symptome gegenüber Placebo, insbesondere bei verstopfter Nase und Augenjucken.
Weitere Studien zeigten eine signifikante Reduktion von Gesamt-IgE und eine Normalisierung des Th1/Th2-Verhältnisses im Serum.
Immunologische Effekte
LP-33 wirkt immunmodulierend, indem es:
IL-10 und TGF‑β – antiinflammatorische Zytokine – stimuliert,
proinflammatorische Zytokine wie IL‑4, IL‑5 hemmt,
die Differenzierung von Th2-Zellen unterdrückt,
die Population von regulatorischen T‑Zellen (Tregs) erhöht.
Der Stamm gilt als gut verträglich und ist bereits in mehreren frei verkäuflichen Präparaten im Einsatz.
Lactobacillus paracasei GMNL-133 – Ein vielversprechender Neuling
Der Stamm Lactobacillus paracasei GMNL-133 wurde vom taiwanesischen Biotech-Unternehmen GenMont entwickelt und speziell hinsichtlich seiner antiallergischen und antiinflammatorischen Eigenschaften charakterisiert.
Präklinische Daten
In murinen Modellen konnte gezeigt werden, dass GMNL-133 die Serum-IgE-Spiegel reduziert, die Histaminfreisetzung hemmt und die Infiltration eosinophiler Granulozyten in die Nasenschleimhaut vermindert.
Die orale Gabe führte zu einer erhöhten Expression von Treg-Markern (FoxP3) in der Peyer’schen Plaque sowie zu einem Rückgang der mastzellassoziierten Entzündungsprozesse.
Potenzielle Indikationen
Neben allergischer Rhinitis wurde GMNL-133 auch in Zusammenhang mit atopischer Dermatitis, Nahrungsmittelallergien und sogar allergischem Asthma untersucht – mit durchweg positiven immunologischen Modulationseffekten.
Wichtig: GMNL-133 ist derzeit noch nicht in allen Ländern frei verfügbar, befindet sich aber in Zulassungsverfahren für verschiedene Märkte.
Vergleich: Probiotika vs. Antihistaminika
Kriterium | Cetirizin | LP-33 / GMNL-133 |
---|---|---|
Wirkeintritt | Innerhalb von 1 Stunde | Nach 2–6 Wochen regelmäßiger Einnahme |
Wirkmechanismus | Blockade von H1-Rezeptoren | Modulation des Immunsystems (Th1/Th2, Tregs) |
Nebenwirkungen | Müdigkeit, Mundtrockenheit, Schwindel | Kaum bekannt, gute Verträglichkeit |
Nachhaltigkeit | Symptomunterdrückung | Einfluss auf Krankheitsursache möglich |
Anwendung | Akut, symptomatisch | Präventiv oder begleitend, längerfristig |
Fazit: Neue Wege in der Allergietherapie
Cetirizin ist ein bewährtes, schnell wirksames Medikament bei allergischen Beschwerden – doch Cetirizin behandelt lediglich die Symptome, nicht die Ursachen. Probiotika wie LP-33 und GMNL-133 bieten hier eine vielversprechende, ursachenorientierte Ergänzung oder Alternative.
Insbesondere bei chronischen oder saisonalen Allergien, aber auch bei begleitenden atopischen Erkrankungen lohnt es sich, probiotische Therapien frühzeitig in Betracht zu ziehen. Zwar ist die Studienlage noch nicht vollständig, doch die bisher vorliegenden Daten sprechen für eine effektive, nebenwirkungsarme Immunmodulation durch ausgewählte Bakterienstämme.
Für Patienten mit ausgeprägter Histaminintoleranz, bestehender Dysbiose oder häufigem Antihistaminika-Einsatz kann ein individueller Therapieversuch mit solchen Probiotika – idealerweise unter ärztlicher Begleitung – einen echten Fortschritt darstellen.
Literatur:
- Peng et al. Pediatr Allergy Immunol 2005, 16: 433–438
- Wang et al. Pediatr Allergy Immunol 2004: 15: 1–7
- Ahmed et al. Pak J Med Sci 2019, 35 (6)
- Wang & Wang Clinical & Experimental Allergy 2015, 45, 779–787
FAO/WHO (2001): Health and nutritional properties of probiotics in food including powder milk with live lactic acid bacteria.
