Anzahl der Bakterien in Probiotika
Immer mehr Menschen setzen auf die positive Wirkung von Probiotika. Diese enthalten lebende Mikroorganismen, die unseren Darm oder Mundraum besiedeln und positiv auf unsere Gesundheit wirken können. Schaut man sich nun die im Markt befindlichen Produkte an, dann fällt auf, dass manche Produkte nur ein oder zwei Bakterienstämme enthalten. Demgegenüber stehen solche Produkte, die mehrere verschiedene Bakterien enthalten. Diese sollen im Gegensatz zu Produkten mit nur einem oder zwei Bakterien eine breitere Wirkung auf den Darm haben und somit das Gleichgewicht der Darmflora besser unterstützen.
Im Markt gibt es eine Vielzahl von Produkten mit mehreren Bakterien. Einige Beispiele sind:
- Bio-Kult: Enthält 14 verschiedene Bakterienstämme
- ProBio-Cult: Enthält 10 verschiedene Bakterienstämme
- Omnibiotic: Enthält 12 verschiedene Bakterienstämme
- Symprove: Enthält 4 verschiedene Bakterienstämme
Folgende Vorteile sollen Multistamm-Probiotika haben:
- Vielfältige Wirkung: Multistamm-Probiotika enthalten verschiedene Arten von probiotischen Bakterien, die synergistisch zusammenwirken und somit eine breitere Palette an gesundheitlichen Vorteilen bieten können.
- Stärkere Immunabwehr: Durch die Kombination mehrerer Stämme wird das Immunsystem gestärkt, da jede Art von Bakterien einen anderen Teil des Immunsystems aktivieren kann.
- Bessere Darmgesundheit: Durch die hohe Anzahl an verschiedenen Bakterienstämmen im gesunden Darm, kann ein Multistamm-Probiotikum besser helfen, ein Gleichgewicht der Darmflora zu erreichen und aufrechtzuerhalten, was wiederum Verdauungsprobleme lindern und Entzündungen reduzieren kann.
- Effektiver bei Antibiotikabehandlungen: Wenn Patienten Antibiotika einnehmen müssen, können Multistamm-Probiotika dazu beitragen, dass sich die Darmflora schneller erholt und mögliche Nebenwirkungen wie Durchfall verringert werden.
- Unterstützung bei verschiedenen Gesundheitsproblemen: Multistamm-Probiotika können auch bei einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen wie Reizdarmsyndrom, Colitis ulcerosa oder allergischen Erkrankungen eingesetzt werden. Das klingt nun erst einmal logisch, aber helfen Multistamm-Probiotika nun wirklich besser als Produkte mit nur einem oder zwei Bakterienstämmen?
Welchen Einfluss hat die Anzahl der Bakterienstämme auf die Wirkung von Probiotika?
Ein Probiotikum mit vielen Bakterien wird oft als effektiver angesehen als ein Präparat mit nur wenigen Stämmen. Das liegt daran, dass die Vielfalt der Bakterien eine größere Chance bietet, positive Auswirkungen auf den menschlichen Körper zu erzielen. Die verschiedenen Stämme können in unterschiedlichen Bereichen des Verdauungstrakts aktiv werden und somit eine breitere Wirkung erzielen. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass nicht nur die Anzahl der Bakterienstämme entscheidend für die Wirkung von Probiotika ist. Auch die Menge und Qualität der einzelnen Stämme sowie deren Zusammenspiel sind von Bedeutung (“Qualitätskriterien von Probiotika”).
Schauen wir uns nun die Argumente für Multistamm-Produkte im Detail an:
- Vielfältige Wirkung von Multistamm-Produkten
Eine hohe Vielzahl an Bakterien in einem Probiotikum soll besser wirken, da so synergistische Effekte dieser Bakterienstämme untereinander ausgenutzt werden. Ja dies ist möglich und es wurden schon synergistische Effekte von probiotischen Stämmen in Studien nachgewiesen (1). Klar ist aber auch, dass die probiotischen Stämme auch antagonistisch wirken können, das heißt, sie können gegenseitig in Wettstreit treten (2). Für viele der im Markt befindlichen Multistamm-Produkte wurde eben überhaupt nicht untersucht, ob sie synergistisch wirken und wenn ja, in welcher Konzentration und Kombination solche Synergien auftreten.
- Stärkere Immunabwehr
Die Wirkmechanismen von Probiotika auf das Immunsystem können vielfältig sein. So können bestimmte Botenstoffe, die der Regulierung des Immunsystems dienen — sogenannte Interleukine — im Körper stimulieren oder herunterregulieren. Dies kann abhängig vom probiotischen Bakterium sowohl im Darm, als auch im Mundraum geschehen. Auch können Bakterien eine Schutzhülle um Zellen im Mundraum legen und sie so vor dem Eindringen von Viren schützen. Probiotika können auch die Schleimhaut des Darms stärken und somit eine bessere Barriere gegen schädliche Bakterien und Toxine bilden, was zu einem Schutz des Immunsystems beitragen kann.
Die Wirkungen von Bakterienstämmen auf die Immunabwehr kann also sehr vielfältig sein, daher klingt die Idee von Probiotika mit vielen Stämmen erst einmal interessant, aber auch hier gilt natürlich die Frage, ob die im Produkt enthaltenen Bakterienstämme überhaupt für eine positive Wirkung auf das Immunsystem ausgewählt und klinisch getestet wurden. Das ist sicher für einen Großteil der Multistamm-Produkte nicht der Fall.
- Effektiver bei Antibiotikabehandlung
Durch die Einnahme von Antibiotika wird oftmals die gesunde Darmflora zerstört und ein Probiotikum mit vielen Bakterienstämmen soll schneller dazu beitragen, wieder eine gesunde Darmflora zu etablieren. Macht man sich aber nun bewusst, dass sich im menschlichen Darm bis zu 1000 unterschiedliche Bakterienspezies ansiedeln (3), dann wird klar, dass es wohl kaum einen Unterschied macht, ob man ein Probiotikum mit 2 oder 10 Bakterienstämmen nach Antibiotikabehandlung einnimmt. Viel wichtiger ist es vor allem nach solchen Produkten zu schauen, die Bifidobakterien oder Laktobazillen enthalten, da die für ihre positive Wirkung auf die Darmflora bekannt sind. Klinische Studien sucht man in diesem Zusammenhang bei den meisten im Markt angebotenen Probiotika aber auch wieder vergeblich.
- Unterstützung unterschiedlicher Gesundheitsprobleme
Gerade die neue Generation der indikationsbezogenen Probiotika zeigt, dass spezifische Bakterienstämme bzw. eine Mischung aus Bakterienstämmen ganz spezifische Gesundheitswirkungen haben. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass Probiotika mit vielen Bakterienstämmen für unterschiedliche Gesundheitsprobleme behilflich sein können. Auch sind die meisten Verbraucher sicher eher an der Lösung eines ganz bestimmten gesundheitlichen Problems interessiert, als an einem Produkt, dass zumindest vorgibt, für vieles gut zu sein.
In unserem Blogbeitrag zu Qualitätskritierien erklären wir, dass es wesentlich für die Wirksamkeit von Probiotika ist, dass die darin enthaltenen Stämme für eine bestimmte Gesundheitswirkung ausgesucht und klinisch getestet wurden. Da solche Tests sehr aufwendig sind, ist es ungleich schwieriger, solche Tests für mehrere Bakterienstämme durchzuführen. Als Konsequenz konzentriert sich ein Großteil der wissenschaftlichen Studien bisher auf Produkte mit ein oder maximal zwei Bakterienstämmen wie eine globale Analyse von Dronkers et al. bestätigt.
Viel hilft viel? Sind Produkte mit vielen Bakterienstämmen denn nun besser?
Das Fazit, ob “Viel hilft viel?” bei der Verwendung von Probiotika mit mehreren Bakterienstämmen relevant ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine hohe Anzahl an Bakterienstämmen in einem Probiotikum kann zwar grundsätzlich positiv sein, jedoch müssen die einzelnen Stämme auch in ausreichender Menge vorhanden sein, um ihre Wirkung entfalten zu können. Zudem ist es wichtig, dass die verschiedenen Stämme miteinander harmonieren und sich nicht gegenseitig hemmen oder gar negativ beeinflussen. Nicht alle Bakterienstämme vertragen sich gut, sondern können in Wettstreit miteinander treten. Deshalb muss die Kompatibilität und die Effizienz von gemischten Bakterienpräparaten durch Tests nachgewiesen werden.
Insgesamt kann man sagen, dass eine hohe Anzahl an Bakterienstämmen in einem Probiotikum sinnvoll sein kann, sofern sie in ausreichender Menge vorhanden sind und sich gut ergänzen. “Viel hilft viel” ist jedoch nicht automatisch relevant bei der Verwendung von Probiotika mit mehreren Bakterienstämmen — es kommt immer auf die Qualität und das Zusammenspiel der einzelnen Stämme an. Klinisch getestete Probiotika mit einem Bakterium kann einem Produkt mit vielen unterschiedlichen Bakterien bezüglich der Wirkung weit überlegen sein. Entscheidend ist also, dass ein Probiotikum bestimmte Qualitätskriterien (“Qualitätskriterien von Probiotika”) erfüllt und nicht, wie viele Bakterienstämme im Produkt enthalten sind.
Literatur:
- Choi et al. Int J Mol Sci. 2023 Feb 28;24(5):4693.
- Kwoji et al. Biology (Basel). 2021 Apr 13;10(4):322. doi: 10.3390/biology10040322. PMID: 33924344; PMCID: PMC8070017.
- Yang et al. Front. Microbiol., 26 August 2020 Sec. Systems Microbiology. Volume 11.
