Was ist Diabetes?
Diabetes mellitus, oft einfach als Diabetes bezeichnet, ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der der Körper entweder nicht genügend Insulin produziert oder das produzierte Insulin nicht effektiv nutzen kann. Insulin ist ein Hormon, das dafür verantwortlich ist, den Blutzuckerspiegel zu regulieren, indem es Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen transportiert, wo er als Energie genutzt wird. Es gibt zwei Haupttypen von Diabetes: Typ-1-Diabetes, der durch eine Autoimmunreaktion verursacht wird und dazu führt, dass der Körper kaum oder gar kein Insulin produziert, und Typ-2-Diabetes, der in der Regel mit Insulinresistenz verbunden ist, bei der die Zellen des Körpers nicht richtig auf Insulin reagieren.
Typ-2-Diabetes ist die häufigere Form und eng mit Fettleibigkeit, Bewegungsmangel und genetischen Faktoren verbunden. Beide Formen von Diabetes führen dazu, dass der Blutzuckerspiegel zu hoch bleibt, was langfristig zu schwerwiegenden Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenschäden, Nervenschäden und Sehverlust führen kann. Eine frühzeitige Diagnose und ein gutes Management sind entscheidend, um diese Komplikationen zu vermeiden.
Die Rolle des Mikrobioms bei Diabetes
Diabetes mellitus, insbesondere Typ-2-Diabetes, wird durch Insulinresistenz und eine unzureichende Insulinproduktion gekennzeichnet. Während genetische und Lebensstilfaktoren eine wichtige Rolle spielen, rückt auch die Bedeutung des Mikrobioms immer mehr in den Fokus.
Studien zeigen, dass das Darmmikrobiom bei Diabetikern oft gestört ist. Diese Dysbiose, das Ungleichgewicht der Mikroorganismen im Darm, kann zu chronischen Entzündungen führen, die wiederum die Insulinempfindlichkeit beeinträchtigen und den Blutzuckerspiegel destabilisieren. Ein schlecht regulierter Blutzucker ist die Hauptursache für die Komplikationen, die Diabetes begleiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenschäden und Nervenprobleme.
Ein gesundes Mikrobiom kann hingegen zur Stabilisierung des Stoffwechsels beitragen und Entzündungen reduzieren. Hier kommen Probiotika ins Spiel: Sie können das Mikrobiom positiv beeinflussen und möglicherweise zur Vorbeugung oder sogar Behandlung von Diabetes beitragen.
Wie könnten Probiotika bei Diabetes helfen?
Es gibt mehrere Mechanismen, durch die Probiotika den Blutzuckerspiegel positiv beeinflussen könnten:
Reduzierung von Entzündungen: Chronische Entzündungen sind ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Insulinresistenz. Einige Probiotika, wie die Stämme Lactobacillus und Bifidobacterium, sind dafür bekannt, entzündungshemmende Eigenschaften zu haben. Durch die Reduzierung der Entzündungsmarker im Körper könnten Probiotika dazu beitragen, die Insulinempfindlichkeit zu verbessern.
Beeinflussung der Glukoseaufnahme: Probiotika können die Zusammensetzung des Mikrobioms verändern und somit auch den Stoffwechsel beeinflussen. Einige Stämme von Darmbakterien produzieren kurzkettige Fettsäuren, wie Butyrat, die eine positive Wirkung auf den Glukosestoffwechsel haben können. Diese Fettsäuren fördern eine gesunde Darmbarriere, was die Aufnahme von Zucker in den Blutkreislauf verlangsamen könnte.
Gewichtsregulierung: Fettleibigkeit ist ein wesentlicher Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. Studien deuten darauf hin, dass das Mikrobiom das Körpergewicht beeinflussen kann. Einige Probiotika können das Hungergefühl regulieren, die Fettaufnahme reduzieren und den Fettstoffwechsel fördern, was wiederum zu einer Gewichtsabnahme beitragen kann – ein wichtiger Schritt zur Prävention von Diabetes.
Regulierung der Insulinproduktion: Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Probiotika die Produktion von Insulin unterstützen können. Zum Beispiel wurde gezeigt, dass Lactobacillus rhamnosus die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse fördern könnte. Diese Wirkung könnte Diabetikern helfen, den Blutzucker besser zu kontrollieren.
Aktuelle Studienlage zum Potential von Probiotika bei Diabetes
Die Forschung über die Wirkung von Probiotika bei Diabetes befindet sich noch in den frühen Stadien, aber erste Ergebnisse sind vielversprechend.
In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2023 von Ayesha et al. wurden insgesamt 22 Studien zur Eignung von Probiotika zum Management von Typ 2 Diabetes untersucht (1). Dabei wurde eine Einnahme über einen kürzeren Zeitraum (8 Wochen) sowie einen längeren Zeitraum (12 Wochen) betrachtet. Untersucht wurden unter anderem in diesen Studien der Nüchternblutzucker sowie der „verzuckerte“ Anteil des Hämoglobin, der sogenannte HbA1c-Wert (ein Maß für den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel über drei Monate) untersucht.
Prinzipiell kommt die Übersichtsarbeit zu der Einschätzung, dass eine Einnahme von Probiotika signifikant den Nüchternblutzucker, als auch den HbA1c-Wert verringert. Die Untersuchung zeigt allerdings auch, dass es große Unterschiede in der Qualität der untersuchten Studien gibt. Die in den Studien eingesetzten Probiotika waren vor allem Lactobacillus- und Bifidobakterium-Stämme.
In einer weiteren Übersichtsarbeit von Li et al. wurden insgesamt 30 klinische Studien zur Auswirkung von Probiotika auf den Blutzucker in Diabetes Typ 2 Patienten in die Untersuchung einbezogen (2). Die Einnahme der Probiotika erfolgte auch wieder im Durchschnitt zwischen 8–12 Wochen. Auch diese Übersichtsarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass Probiotika wirkungsvoll zur Senkung des Blutzuckerspiegels in Typ‑2 Diabetikern eingesetzt werden können.
Um nun ein Gefühl dafür zu bekommen, wie stark die Effekte einer Probiotikaeinnahme auf den Blutzuckerspiegel sind, lohnt sich der Blick in eine klinische Studie diesbezüglich. In der Untersuchung von Sabico et al. (3), wurden die Probiotika über einen vergleichsweise langen Zeitraum von 6 Monaten eingenommen. Nach 3 Monaten konnte bereits eine Verringerung des Nüchternblutzuckers von 3.3 mmol/l (-27.4%) (Ausgangswert: 11.7 mmol/l) beobachtet werden. Nach 6 monatiger Einnahme belief sich die Verringerung im mittel sogar auf 4.5 mmol/l (38.5%).
Wir schneidet ein Probiotikum nun aber im Gegensatz zu einem gängigen Medikament zur Reduzierung des Butzuckers wie Metformin ab? In einer Studie zur Wirkung von Metformin auf den Blutzuckerspiegel nach 3 monatiger Einnahme, konnte in der Diabetikergruppe eine Reduzierung des Nüchternblutzuckers um 38% erreicht werden, also ein Wert, der vergleichbar mit der Wirkung des Probiotikums ist (4).
Schaut man sich noch einmal das Wirkpotential von Probiotika auf den Nüchternblutzucker in der Übersichtsarbeit von Li et al. (2) an, dann fällt auf, dass die Studie von Sabico et al. (3) mit einer Reduzierung von 38.5% schon eine Ausnahme darstellt. Realistisch sind eher eine Reduzierung des Nüchternblutzuckers mit Probiotika in einem Umfang von 20 – 25 %, was aber immer noch beachtliche Werte sind.
Probiotika in der Ernährung: Tipps für Diabetiker
Wenn du als Diabetiker Probiotika in deine Ernährung integrieren möchtest, gibt es einige einfache Möglichkeiten:
Verzehre probiotische Lebensmittel: Naturjoghurt, Kefir, Sauerkraut, Kimchi, Tempeh und Miso sind reich an natürlichen Probiotika. Sie liefern nicht nur lebende Mikroorganismen, sondern sind auch in der Regel nährstoffreich und arm an Zucker, was sie zu einer idealen Ergänzung der Ernährung von Diabetikern macht.
Ergänzung mit Probiotika: Wenn du nicht genügend Probiotika über die Nahrung aufnehmen kannst, sind Nahrungsergänzungsmittel eine Alternative. Es ist jedoch wichtig, auf die richtige Wahl der Stämme zu achten. Einige Stämme, wie Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium lactis, sind besonders vielversprechend für die Unterstützung der Blutzuckerkontrolle.
Kombination mit Präbiotika: Präbiotika sind unverdauliche Ballaststoffe, die als “Nahrung” für Probiotika dienen. Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Chicorée, Artischocken, Zwiebeln und Vollkornprodukte fördern das Wachstum von probiotischen Bakterien und unterstützen die Darmgesundheit.
Fazit
Die Forschung zeigt zunehmend, dass das Mikrobiom eine entscheidende Rolle in der Entstehung und dem Management von Diabetes spielt. Probiotika bieten eine vielversprechende Möglichkeit, die Darmgesundheit zu fördern, Entzündungen zu reduzieren und den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Das Potenzial der Reduzierung des Blutzuckers kann dabei ähnlich hoch sein, wie das herkömmlicher Medikamente. Der Vorteil der Probiotika liegt aber darin, dass sie zumeist keine Nebenwirkungen haben.
Obwohl Probiotika allein keine Heilung für Diabetes sind, könnten sie als Teil einer umfassenden Strategie, die auch Ernährung, Bewegung und andere Lebensstilfaktoren berücksichtigt, eine wertvolle Ergänzung sein. Wenn du erwägst, Probiotika in deine Diabetesbehandlung einzubeziehen, solltest du dich jedoch immer von einem Arzt oder Ernährungsberater beraten lassen, um sicherzustellen, dass dies für deine individuelle Situation geeignet ist.
Probiotika zeigen, wie eng verknüpft unser Verdauungssystem mit der Gesamtgesundheit ist – und wie die richtige Unterstützung des Mikrobioms eine neue Dimension in der Prävention und Behandlung von Diabetes eröffnen könnte.
Literatur
(1) Ayesha et al. Cureus 2023, 15(10): e46741.
(2) Li et al. J Transl med 2023, 21: 442.
(3) Sabico et al. Clinical Nutrition 2019, 38(4): 1561–1569.
(4) Hundal et al. Diabetes 2000, 49(12): 2063–2069.
